die Seuchen des 21. Jahrhunderts

von Dr. Ulrike Eigner, Praxis für Ernährungsberatung und -therapie, Haßfurt

Jeder Fünfte ist betroffen!

Während vor Hundert Jahren die Diagnose Reizdarmsyndrom noch völlig unbekannt war, ist es in unserem heutigen historisch einmaligen Ernährungsparadies zur Volkskrankheit geworden (vgl. Schuh 2008, S. 45).

Aktuell stellt Reizdarmsyndrom den zweithäufigste Grund dar, warum Menschen in Deutschland den Arzt aufsuchen. An erster Stelle stehen Rückenbeschwerden. Schätzungsweise leiden 15 bis 25 % der Deutschen unter Reizdarmsyndrom (TK 2001, S. 16; Lauter 2005, S. 22). Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer (vgl. Wächtershäuser et al. 2008, S. 279). Doch nur ein Viertel (5 % der Deutschen insgesamt) der Betroffenen befinden sich aufgrund funktioneller Magen-Darm-Beschwerden in ärztlicher Behandlung (vgl. TK 2001, S. 16). Das liegt vermutlich daran, dass es sich bei Darmbeschwerden um ein Tabuthema handelt. Ein Teil der Betroffenen hat es sicherlich inzwischen aufgegeben, um ärztliche Hilfe anzufragen, weil sie darauf vertröstet wurden, dass ihre Beschwerden psychische Ursachen haben und sie sich mit den Beschwerden abfinden müssten.

Colon irritabile, Reizkolon, Irritables Kolon wird Reizdarmsyndrom auch noch genannt. Es wird begleitet von Symptomen wie Stuhlunregelmäßigkeiten, Durchfall und Verstopfung, manchmal auch abwechselnd, Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe, Blähungen (Flatulenz), aufgeblähtem Bauch (Meteorismus), Übelkeit und dem Gefühl der unvollständigen Darmentleerung (vgl. Pschyrembel 2007, S. 615, 1213 und 1642).

Vom Reizdarmsyndrom müssen wir den Reizmagen (auch als funktionelle Dyspepsie bezeichnet) abgrenzen. Er gehört ebenfalls zu den funktionellen gastrointestinalen Störungen. 20 bis 30 % der Deutschen leiden darunter. Sie werden von Magenschmerzen, Druck- und Völlegefühl im Oberbauch, Sodbrennen und Übelkeit geplagt (vgl. Wächtershäuser et al. 2008, S. 279).

Die Diagnose erfolgt bei beiden Krankheitsbildern durch Ausschlussdiagnostik (Pschyrembel 2007, S. 1642). Wenn also mit den üblichen diagnostischen Maßnahmen keine Ursachen gefunden werden können, wird die Diagnose des Reizdarmsyndroms oder Reizmagens gestellt (vgl. Wächtershäuser, Stein 2008, S. 279f). Beide Krankheitsbilder werden als psychosomatische Erkrankungen eingestuft.

Zwei Drittel der Betroffenen selbst haben jedoch festgestellt, dass die Magen-Darm-Beschwerden nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel auftreten (vgl. Wächtershäuser et al. 2008, S. 280). Sehr häufig konnte ich mit meinen Patienten herausfinden, dass die Ursachen für Reizdarmsyndrom und Reizmagen Lebensmittelunver-träglichkeiten waren.

Fertiglebensmittel und Lebensmitteltrends als Ursache von Reizdarmsyndrom

Fertiglebensmittel und Lebensmitteltrends sind wichtige Ursachen, weshalb Magen-Darm-Probleme heute so zahlreich auftreten.

Die Ernährungsgewohnheiten in Deutschland haben sich in den letzten 50 Jahren enorm gewandelt. Während vor Hundert Jahren, weitgehend auch noch bis vor etwa 20 Jahren, regional und saisonal erzeugte Grundnahrungsmittel zubereitet und verzehrt wurden, greifen wir heute vermehrt auf Fertiglebensmittel zurück. Mehr als 2000 verschiedene Substanzen werden von der Lebensmittelindustrie eingesetzt, die ursprünglich nicht zur menschlichen Nahrung gehörten (vgl. Lauter 2005, S. 23). Über 400 verschiedene kennzeichnungspflichtige Zusatzstoffe dürfen in Lebensmitteln und Speisen verwendet werden. Jährlich erscheinen rund 5000 neuartige Speisen und Getränke im Handel. Diejenigen, die von den Verbrauchern nicht nachgefragt werden, verschwinden auch rasch wieder und werden durch neue Kreationen ersetzt.

Immer wieder drängen neue Trends auf den Lebenmittelmarkt. Fettarme, zuckerfreie oder kalorienarme Light-Produkte, kamen in den 1970er Jahren in Mode. Zuckeraustauschstoffe wie Fruktose, Sorbit und Xylit finden sich seither in zuckerfreien Bonbons und Kaugummis, Zahnpasten oder Hustensaft. Sie dürfen “gemäß der guten Herstellungspraxis” den Lebensmitteln zugefügt werden, ohne dass bisher Mengenbegrenzungen festgelegt wurden, welche die tatsächlich eher schlechte Verträglichkeit dieser Süßungsmittel berücksichtigen würden.

Seit Mitte der 1990er Jahre soll mit den funktionellen Lebensmitteln, auch functional food oder nutriceuticals genannt, nicht nur Nahrung, sondern gleichzeitig auch Gesundheit verzehrt werden. Diese Gesundheitslebensmittel dürfen direkt auf den Markt gelangen und unterliegen nicht wie Arzneimittel einem langwierigen kostenintensiven Zulassungsprozess. Nur ein Teil der Konsumenten kann jedoch von den als verdauungsfördernd ausgelobten Ballaststoffen wie Oligofruktose und Inulin profitieren, die sich in Joghurtgetränken, Müslis, Croissants, Gebäck und Backwaren oder Brotaufstrichen befinden. Bei einem nicht unerheblicher Teil der Konsumenten lösen diese Ballaststoffe reizdarmsyndrom-ähnliche Symptome aus. Von der Getränkeindustrie wird in ACE-Getränken, Eistees, Wellness- und Sportler-Drinks heute doppelt so viel Fructosesirup eingesetzt als vor 10 Jahren.

Der aktuelle Trend befasst sich mit Mood Food, also Stimmungs-Lebensmitteln. Sie wollen dem Käufer Wohlgefühl, Erholung und mentale Leistungsfähigkeit bieten. Chili-Schokolade verbessert mit Hilfe des Pepper-High-Effekts unsere Gemütslage, die Anti-Faltenkonfitüre verspricht äußere Schönheit und Konzentrationsdrinks aus dem Supermarkt sollen zukünftig Aufputsch-Mittel aus der Apotheke ersetzen.

Veränderte Gewohnheiten der Verbraucher

Doch nicht nur das Lebensmittelangebot, auch unsere Konsumgewohnheiten haben sich geändert.

Bedingt durch den gestiegenen Anteil berufstätiger Frauen, alleinerziehender Mütter und der Single-Haushalte wird heute wesentlich weniger Zeit für die Nahrungszubereitung aufgewendet als vor einigen Jahrzehnten. Verbraucher greifen vermehrt auf Fertigprodukte, Convenience-Food, Ready-to-Eat-Produkte (z.B. belegte Brötchen) oder energiereiche Erfrischungsgetränke zurück (vgl. Ernährungsbericht der DGE 2008, S 37f). In diesen industriell hergestellten Speisen und Getränken werden Zutaten wie Milchpulver oder Milchzucker eingesetzt, um eine cremige Konsistenz zu erzielen. Durch einen hohen Anteil an Zucker und Zuckeraustauschstoffen (Fruchtzucker, Sorbit u.a.) werden Käufer gelockt, nach Fruchtjoghurts oder Müslis zu greifen. Der Einsatz von Sorbit als Feuchthaltemittel hält Fertiggebäcke wie Schaumwaffeln oder Milchbrötchen länger frisch. Während vor 40 oder 50 Jahren gerade bei den Mädchen das Trinken viel zu stark reglementiert wurde, ist Apfelsaft oder Aplfelsaftschorle in den meisten Schultaschen der heutigen Kinder und Jugendlichen zu finden. Durch den natürlichen Gehalt an Fruchtzucker und Sorbit wird hier die verträgliche Menge dieser Zuckerarten rasch überschritten.

Nahrungsmittelunverträglichkeiten als Ursache von Reizdarmsyndrom und Reizmagen

Meine eigenen Erfahrung wie auch Studien bestätigen, dass bei 50 - 70% der Patienten mit Reizdarmsyndrom und Reizmagen eine Lebensmittelunverträglichkeit vorliegt. In der Normalbevölkerung sind etwa 20 bis 25 % von Nahrungsmittelunverträglichkeiten betroffen (vgl. Wächtershäuser et al. 2008, S. 280).

Milchzuckerunverträglichkeit (Laktose-Intoleranz)

Milchzuckerunverträglichkeit stellt eine der Hauptursachen des Reizdarmsyndroms dar. Schätzungsweise liegt sie bei 45 % der Reizdarmpatienten vor (vgl. Wächtershäuser et al. 2008, S. 283).

Milch ist ein Lebensmittel, das von der Natur ursprünglich Säuglingen und den Jungtieren von Säugetieren vorbehalten war. Dass wir als Erwachsene Milch nicht mehr vertragen und die körpereigene Produktion von Laktase, dem milchzuckerspaltenden Enzym nachlässt, ist eigentlich der physiologische Normalfall. Nur die hellhäutigen Nordeuropäer und einige afrikanische Nomadenstämme, die seit 10 000 Jahren Milch (bzw. Kamelmilch) als Grundnahrungsmittel verwenden, vertragen Milch auch im Erwachsenenalter. In Afrika liegt der Anteil der Laktoseintoleranten bei 98 %, in Deutschland zwischen 10 und 15 % (vgl. Biesalski et al. 2004, S. 67).

Laktose-Intoleranz kann über einen Wasserstoff-Atemtest bei einem Internisten oder einer Klinik, die über ein Wasserstoff-Atemtestgerät (Gastrolyzer) verfügt, diagnostiziert werden. Nüchtern werden 50 g Laktose in Wasser gelöst getrunken. Im Anschluss wird im Abstand von 20 Minuten Ausatemluft in das Wasserstoff-Atemgerät gepustet. Steigt der Wasserstoffgehalt über einen Normwert an, so ist dies ein Beleg, dass eine Laktose-Intoleranz vorliegt. Wichtig ist, während der Untersuchung, die über drei Stunden durchgeführt werden sollte, auch ein Beschwerdeprotokoll zu führen. Da nicht jeder Mensch Bakterien im Dickdarm besitzt, die Wasserstoff produzieren (die sog. Non-H2-Produzer liegen bei 10 - 15 %) (Wächtersbach 2008, S. 282), ist das Beschwerdeprotokoll und auch die Befindlichkeit bis 48 Stunden nach der Laktoseaufnahme wichtig für die Diagnostik und Ernährungstherapie der Laktose-Intoleranz.

Sie selbst können einen Hinweis darauf bekommen, ob Sie unter Milchzuckerunverträglichkeit leiden, indem sie morgens nüchtern einen halben Liter Buttermilch (enthält 20 g Laktose) oder 250 ml Milch (enthält 11 g Laktose) trinken und im Viertelstundenrhythmus ein Beschwerdeprotokoll schreiben.

Ergibt der Milchzuckertest ein positives Ergebnis, so müssen und sollten Sie keinesfalls auf Milch und Milchprodukte vollständig verzichten. In der Ernährungstherapie werden Sie angeleitet, welche Alternativen Ihnen für bestimmte Milchprodukte zur Verfügung stehen, um keine Osteoporose zu entwickeln, welche Milchprodukte Sie weiterhin essen dürfen und auf welche Details Sie bei der Zutatenliste achten müssen.

Fruktose-Sorbit-Malabsorption

1978 wurde zum ersten Mal die Fruktose-Sorbit-Malabsorption als Ursache von Reizdarmsyndrom beschrieben. Schätzungsweise leidet ein Sechstel (16 - 18 %) der Erwachsenen und ein Viertel der Kinder in Deutschland unter Fruktose-Sorbit-Malabsorption. Reizdarmpatienten sind bis zu 70 % davon betroffen. Es ist bekannt, dass Erwachsene nur 20 - 30 g Fruktose täglich resorbieren können. Heute wird von den Lebensmittel- und Getränkeherstellern doppelt so viel Fruktose eingesetzt als vor zehn Jahren. Da sich auch unsere Ernährungsgewohnheiten verändert haben, wird die verträgliche Menge von 25 g Fruktose bei der heute üblichen Kost schnell überschritten. Von Sorbit, dem Zuckeralkohol von Fruktose, können wir nur 2 - 8 g resorbieren. Ähnlich schlecht verträglich sind weitere Zuckeraustauschstoffe wie Xylit, Isomalt, Maltit, Mannit und Laktit, die z.B. in zuckerfreien Kaugummis oder Süßwaren verwendet werden. In der Literatur ist der Fall eines Patienten beschrieben, der sich in der Charité mit Reizdarmsyndrom vorstellte. Er litt unter chronischem Durchfall und hatte bereits 22 kg an Gewicht verloren. Als Verursacher der Beschwerden konnte der Konsum von fünf zuckerfreien Kaugummis pro Tag identifiziert werden.

Häufig wird die Fruktose-Sorbit-Malabsorption als nicht krankheitsrelevant bewertet. Für die Betroffenen ergeben sich jedoch bei nicht diagnostizierter Ursache erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität, die zur sozialen Isolation bis hin zur Erwerbsunfähigkeit führen können. Wir wissen heute, wie wichtig die Dickdarmbakterien sind, um aus Ballaststoffen kurzkettige Fettsäuren zu fermentieren. Diese Fettsäuren sind für die Ernährung der Dickdarmschleimhaut notwendig und gelten als wichtiger Schutzfaktor vor Dickdarmkrebs. Es ist einleuchtend, dass bei zunächst harmlos erscheinenden Beschwerden wie chronischem Durchfall, die Dickdarmschleimhaut nicht mehr mit diesen Fettsäuren ernährt werden kann, sich folglich Polypen und aus diesen wiederum bösartige Tumore entwickeln können.

Die Diagnose der Fruktose-Sorbit-Malabsorption erfolgt ebenfalls über einen Wasserstoff-Atemtest. Bei Erwachsenen sollte mit 25 g Fruktose und 10 g Sorbit (im Abstand von mindestens 2 Tagen) getestet werden.

Einen Anhaltspunkt, ob Sie unter einer Fruktose-Sorbit-Malabsorption leiden, erhalten Sie, wenn Sie nüchtern einen halben Liter Apfelsaft trinken und anschließend Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Gurgeln im Bauchraum oder Bauchkrämpfe auftreten. In einem Beschwerdeprotokoll über 2 bis 3 Stunden sollten Sie alle 15 Minuten die Beschwerden notieren.

Sollte sich der Verdacht auf eine Fruktose-Sorbit-Malabsorption bestätigen, ist die Ernährungstherapie die einzig mögliche Therapieform. In der Ernährungsberatung erhalten Sie hilfreiche Tipps, welche Lebensmittel Sie zunächst meiden sollten, wie Sie Lebensmittel geschickt kombinieren können, um bestimmte Obstsorten besser vertragen zu können, wie Sie langfristig eine bessere Verträglichkeit erreichen und welche weiteren Kohlenhydrate eventuell auch noch Beschwerden auslösen können.

Histamin-Intoleranz

Erst seit wenigen Jahren wurde das Beschwerdebild der Histamin-Intoleranz als Ursache von gastrointestinalen Beschwerden erkannt. Histamin und die histaminähnlichen biogenen Amine können auch eine Reihe anderer Symptome auslösen, die nahezu alle Organe betreffen können, wie Kopfschmerzen, Migräne, Hautausschläge, Nesselsucht, flush (Hitzewallungen und Hautrötung im Gesicht), plötzliches Herzrasen, Fließschnupfen oder Asthmaanfälle.

Die Forschung über Histamin-Intoleranz steckt noch in den Kinderschuhen und wird von der Medizin bisher wenig wahr genommen. Fachleute und Reizdarmpatienten, die sich darauf einlassen, konnten jedoch erstaunliche Erfolge erzielen (vgl. Wilhelm, 2007; 104(24)).

Die Histaminunverträglichkeit beruht auf einer Abbaustörung des vorwiegend über die Nahrung aufgenommenen Histamins aus Nahrungs- und Genussmitteln. Es kann ein Mangel an dem von der Dünndarmschleimhaut produzierten Enzym Diaminoxidase vorliegen, das für den Abbau des Histamins aus der Nahrung verantwortlich ist. Es kann aber auch ein Mangel des Enzyms Histamin-N-Methyltransferase vorliegen. Dieses Enzym ist für den intrazellulären Histaminabbau zuständig.

Nahrungsmittel, die einen hohen Gehalt an Histamin aufweisen, sind beispielsweise Thunfisch, Sauerkraut, lange gereifter Käse, schwerer Rotwein oder Hefeweizen. Schokolade und Früchte wie Ananas, Kiwis oder Erdbeeren enthalten biogene Amine, die ebenfalls Beschwerden verursachen können. Eine bedeutende Histaminquelle ist auch der aktiv oder passiv eingeatmete Tabakrauch. Zahlreiche Medikamente wie Acetylsalicylsäure, bestimmte Psychopharmaka, Herz-Kreislaufmedikamente und Röntgenkontastmittel setzen Histamin frei und können Beschwerden auslösen oder verstärken (vgl. Zopf et al. 2009, S. 359-369). Etwa 1 % der Gesamtbevölkerung ist von der Histaminintoleranz betroffen, 80 % hierbei sind Frauen mittleren Alters (vgl. Zopf et al. 2009, S. 359-369). Die Zahl der Betroffenen unter den Reizdarmpatienten dürfte wesentlich höher liegen.

Für die Diagnostik der Histamin-Intoleranz können die Bestimmung der Diaminoxidase-Aktivität im Blut und der Histamin-Spiegel im Blut herangezogen werden. Erfahrungen haben gezeigt, dass nur etwa ein Drittel der Personen, die unter einer Histamin-Intoleranz leiden, mit diesen Parametern identifiziert werden können. Diagnostisch hilfreich ist eine ausführliche Ernährungsanamnese. Sollte sich der Verdacht einer Histaminintoleranz bestätigen, ist eine etwa vier wöchige histaminarme Ernährung sinnvoll. Falls in diesem Zeitraum die Symptome nachlassen, sollte eine gelockerte histaminarme Ernährung weitergeführt werden.

Sollten Sie auf den Verzehr von bestimmten Lebensmitteln wie Sauerkraut, Kaffee, geräucherten Fisch oder Wurstwaren oder nach dem Verzehr in Gaststätten mit Durchfall reagieren, so können dies Hinweise auf eine Histamin-Intoleranz sein. Wenn Sie nach dem Verzehr von Sekt oder schwerem Rotwein mit Hitzewallungen und Hautrötung im Gesicht reagieren oder unter Migräne leiden, vielleicht sogar schon festgestellt haben, dass Lebensmittel als Auslöser in Frage kommen, dann lohnt es sich, eine mit Histamin-Intoleranz erfahrene Ernährungsfachkraft aufzusuchen und gemeinsam diese Spur weiter zu verfolgen.

Zöliakie

Bei der Zöliakie handelt es sich nicht um eine reine Lebensmittelallergie, sondern um eine Autoimmunerkrankung. Die Betroffenen können das Getreideeiweiß Gluten, das in Weizen, Roggen, Gerste und Hafer vorkommt, nicht vertragen. Sie bilden Antikörper gegen Gluten. Diese Antikörper zerstören die Dünndarmschleimhaut. Die Dünndarmzotten werden abgebaut, die Dünndarmschleimhaut entzündet sich. Durch die angegriffene und gereizte Darmschleimhaut können Nährstoffe nicht mehr aufgenommen werden. Es kommt zu Vitamin- und Mineralstoffmangel, Gewichtsverlust und Beschwerden wie Durchfall, manchmal abwechselnd mit Verstopfung, Bauchbeschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Völlegefühl.

In Europa und damit auch in Deutschland sind schätzungsweise 1 % der Bevölkerung von Zöliakie betroffen. Diagnostiziert wird Zöliakie jedoch nur bei 0,2 - 0,3 %, folglich wird nur etwa jeder 5. Fall erkannt. In dem versunkenen Teil dieses Zöliakie-Eisbergs findet sich ein erheblicher Teil der Reizdarmpatienten. So konnte in Studien zur Frage nach den Ursachen von Reizdarmsyndrom herausgefunden werden, dass 10 bis 20 % der Reizdarmpatienten von Zöliakie betroffen waren (vgl. Wächtershäuser 2008, S. 284).

Zur Diagnose der Zöliakie sollten zunächst die IgA-Antikörper gegen Transglutaminase und Gliadin sowie die Gesamt-IgA-Antikörper im Blut bestimmt werden. Sind diese Werte erhöht, so muss der Verdacht auf Zöliakie durch eine Gastroskopie, bei der möglichst 5 Biopsien im Dünndarm entnommen und untersucht werden sollten, bestätigt oder ausgeschlossen werden (vgl. Hiller 2006, S. 25).

Liegt eine Zöliakie vor, ist eine lebenslange glutenfreie Ernährung erforderlich. Erste Hilfestellung kann hierbei eine geschulte Ernährungsfachkraft geben. Darüber hinaus gibt es sehr hilfreiche Tipps und Informationen von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. In der regionalen Zöliakie-Selbsthilfegruppe tauschen die Betroffenen Erfahrungen aus, wie sich im Alltag eine glutenfreie Ernährung umsetzen lässt.

Eine Spurensuche bringt Licht ins Dunkle

Neben den genannten Lebensmittelunverträglichkeiten kommen noch eine Reihe weiterer Stoffe wie schwer verdauliche Kohlenhydrate, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Konservierungsstoffe oder Salicylate in Frage. Lebensmittelallergien, insbesondere pollenassoziierte Lebensmittelallergien spielen bei 1 - 4 % der Reizdarmpatienten eine Rolle. Eine Verschiebung der Dickdarmflora, eine Fehlbesiedelung des Dünndarms, eine Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine oder Divertikel müssen in der Diagnostik außerdem berücksichtigt werden.

Die Erforschung der Ursachen von Reizdarmsyndrom ist aufwendig und gleicht einer detektivischen Spurensuche. Doch die Mühe lohnt sich. Häufig liegt nicht nur eine Ursache vor, sondern verschiedene Unverträglichkeiten und Krankheiten sind miteinander kombiniert. Zahlreiche Diagnosen müssen durchgeführt und zusammengetragen werden. Die eigenen Beobachtungen sollten in einem Beschwerdeprotokoll festgehalten werden. In Teamarbeit zwischen Betroffenen, Ärzten und Ernährungstherapeut können schließlich bei einem großen Teil der Betroffenen die Ursachen identifiziert, die Beschwerden weitgehen beseitigt oder in einem hohen Maß gelindert und die Lebensqualität wesentlich verbessert werden.

Wenn Sie unter Reizdarmsyndrom oder Reizmagen leiden, nehmen sie Kontakt mit mir auf. Ich unterstütze Sie bei der Suche nach den Ursachen und bei der Entwicklung von Lösungsstrategien, damit Sie sich wieder wohl fühlen und ihre Lebensqualität verbessern können.

Literatur:
  • Biesalski, Hans-Konrad: Ernährungsmedizin. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2004.
  • Catassi, Carlo: Geschichte und Geografie der Zöliakie. In: Professional. The Schär Magazine for a tasteful Life. Hrsg.: Schär. Jahr III 09/2007. Schär Nr. 03. S. 10 - 13.
  • DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) (Hrsg.): Ernährungsbericht 2008. Bonn, 2008.
  • Hiller, Andrea: Zöliakie. Mehr wissen - besser verstehen. Stuttgart. Trias, 2006.
  • Lauter, Hartwig: Wenn’s im Bauch rumort .... In: Allergie konkret 3, 2005, S. 22 - 24.
  • Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 261. Aufl., Berlin: De Gryter, 2007.
  • Schuh, Hans: Nahrhafte Übeltäter. In: Die Zeit, Nr. 40 vom 25.09.2008. S. 45 - 46.
  • Wächtershäuser, A.; Stein, Jürgen M.: Ernährungsfaktoren und Ernährungstherapie beim Reizdarmsyndrom - was ist valide? In: Zeitschrift für Gastroenterologie. 2008; 46: S. 279 - 291.
  • Wilhelm, Thomas: Die verschiedenen Gesichter der Histaminintoleranz - Konsequenzen für die Praxis: Tabakrauch ist bedeutende Histaminquelle. In: Deutsches Ärzteblatt 2007; 104 (24): A-1758, B-1553, C-1492.
  • TK (Techniker Krankenkasse) (Hrsg.): Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden. Eine Information für Patienten und Angehörige. Hamburg, 2001.
  • Zopf, Yurdagül; Baenkler, Hanns-Wolf; Silbermann, Andrea; Hahn, Eckhart G.; Raithel, Martin: Differenzialdiagnose von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. In: Deutsches Ärzteblatt Int. 2009; 106 (21): S. 359-369.

© Dr. Ulrike Eigner (Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen)